Letzte Aktualisierung am 12 August 2025

Hoch hinaus – unterwegs in der Heimat der Riesen

Der Jotunheimen Nationalpark – das klingt nicht nur gewaltig, das ist es auch. Auf über 3.500 Quadratkilometern breitet sich hier ein Gebirgszug aus, der zu den wildesten und eindrucksvollsten Norwegens zählt. Zwischen Gletschern, Flüssen, Tälern und den beiden höchsten Bergen des Landes – dem Galdhøpiggen (2.469 m) und dem Glittertind (2.465 m) – zeigt sich Norwegens Natur von ihrer ursprünglichsten Seite.

Kein Wunder, dass dieser Ort „Heimat der Riesen“ genannt wird.

Ein freier Stellplatz auf über 1100 Metern, klare Luft, wilde Natur – und plötzlich steht eine Rentierherde vor uns. Unsere Fahrt durch den Jotunheimen Nationalpark war rau, magisch und unvergesslich. Kommt mit auf eine Etappe voller Weite, Stille und nordischer Sagen.

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Aufbruch ins Hochland

Heute früh haben wir den Campingplatz in Grebbestad Fjorden in Schweden verlassen – mit dem Gefühl, dass heute etwas Besonderes auf uns wartet. Über Most und die Fv16 fahren wir nach Horten, vorbei am tiefblauen Randsfjord, der sich still in die Landschaft schmiegt. Das Licht ist weich, die Straßen sind leer – Norwegen begrüßt uns mit Weite und dieser ganz eigenen, wohltuenden Ruhe.

Unser Ziel: der Jotunheimen Nationalpark. Gegen 18 Uhr erreichen wir die Hochebene auf 1130 Metern Höhe. Ein kleines Seitensträßchen führt uns zu einem freien Stellplatz mit Blick auf den Vinstre-See – unterhalb des mächtigen Bitihorn (1.607 m).

Es ist unser erstes Mal freistehend mit dem Camper – ganz allein, kein Stromanschluss, keine Nachbarn. Und ja: Ein bisschen mulmig ist uns schon. Dieses leise Kribbeln im Bauch, wenn sich alles neu und ungewohnt anfühlt. Der Blick wandert immer wieder aus dem Fenster. Lauschen. Was war das? Aber irgendwann wird’s ruhig – außen wie innen.

Und siehe da: Wir schlafen wunderbar. Vielleicht, weil uns die Stille so freundlich umarmt hat. Vielleicht, weil genau hier dieser Moment beginnt, in dem man merkt, wie wenig man eigentlich braucht.

Hier verbringen wir die Nacht. Freistehend. Still. Und irgendwie ganz nah dran am echten Norwegen.

Morgenzauber mit Katerstimmung

Was für ein Erwachen. Die Berge leuchten im goldenen Morgenlicht, Nebel tanzt über dem Wasser, und für einen Moment scheint alles zu schweigen.

Nur wir nicht. Beide wachen wir mit höllischen Kopfschmerzen auf – vielleicht die Höhe, vielleicht die sich anbahnende Erkältung. Aber: hilft ja nix. Also Kaffee kochen, schnell frühstücken, ein bisschen Ordnung schaffen.

Und dann – trotz dröhnender Köpfe – zücken wir doch noch die Kameras. Diese Szenerie ist einfach zu schön, um sie nur vorbeiziehen zu lassen. Der Bitihorn im Morgenlicht, der Vinstre-See still wie ein Spiegel, die kühle Klarheit der Luft – wir nehmen uns die Zeit, ein paar Bilder zu machen. Fürs Herz. Und für später.

Dann geht’s weiter – zur sagenumwobenen Ridderspranget-Schlucht.

Begegnung auf der Hochebene: Rentiere!

Kaum sind wir wieder auf der Fv51 unterwegs, passiert’s: Aus dem Nichts tauchen sie auf – direkt vor unserem Van. Eine Herde Rentiere, seelenruhig, anmutig, als gehöre ihnen der Weg.

Wir halten. Staunen.

Und vorher? Da war dieser eine Moment.
Wir bestaunten die Landschaft, jeder von uns in Gedanken, still versunken in dieser weiten, kargen Schönheit – und dann tauchten sie auf.

So überraschend, so magisch, dass wir fast vergessen, zur Kamera zu greifen. Erst als die letzten Tiere schon wieder im Dickicht verschwinden, macht es endlich klick.

Ein Gänsehautmoment. Einer von denen, die man nicht plant – aber die bleiben.

Überlebenskünstler mit Geschichte

Ein kurzer Blick auf die Rentiere

Rentiere gehören zur Familie der Hirsche und sind in Norwegen, Schweden, Finnland und Russland zuhause. Sie sind perfekt an das Leben in der Kälte angepasst: mit dickem, isolierendem Fell und breiten Hufen, die sie auch auf Schnee und Eis sicher tragen.

Seit Jahrhunderten leben sie in enger Verbindung mit den Samen, dem indigenen Volk des Nordens. Sie nutzen die Tiere als Nahrungsquelle, für den Transport – und als Teil ihrer Kultur.

Auch in Mythen und Geschichten spielen Rentiere eine Rolle. Und ja – Rudolph mit der roten Nase darf in dieser Aufzählung nicht fehlen.

Aber so kitschig das klingt: Diese Begegnung war eines der schönsten Erlebnisse auf unserer Reise.

Wo Sagen lebendig werden – die Ridderspranget-Schlucht

Nächster Halt: Ridderspranget. Hier tobt die norwegische Natur in voller Wucht. Die Sjoa hat sich über Jahrtausende tief in den Fels gegraben, Moos und Kiefern klammern sich an die steilen Schieferwände, das Wasser donnert unaufhaltsam durch die enge Klamm.

Vom Parkplatz aus folgen wir einem schmalen Pfad, der noch nichts von dem preisgibt, was uns erwartet. Und dann – ganz plötzlich – öffnet sich die Landschaft. Vor uns liegt diese wilde, eindrucksvolle Schlucht – rau, ungebändigt, von der Natur gezeichnet.

Wir lassen uns Zeit an diesem besonderen Ort. Kein Gedränge, keine Eile. Nur der Rhythmus des Flusses – und wir mittendrin. Jeder sucht für sich den besten Fotospot, das schönste Licht, den stimmigsten Ausschnitt. Die Kameras klicken. Immer wieder. Es ist einfach nur: wow.

Und dann ist da diese alte Sage, die dem Ort seinen Namen gab: Der Ritter Sigvat Kvie soll hier nach einem Brautraub auf der Flucht gewesen sein. In einem waghalsigen Ritt sprang er mit seinem Pferd über die rund drei Meter breite Kluft – und entkam so seinen Verfolgern. Diese jedoch stürzten in die Tiefe der Schlucht.

Ob Mythos oder Wahrheit – dieser Ort fühlt sich an wie ein lebendiges Kapitel nordischer Legenden. Wir kraxeln ein Stück oberhalb und unterhalb der Klamm entlang, bestaunen die dramatische Schieferlandschaft – und sind heilfroh, dass wir heute nicht springen müssen.

Aber Achtung: Die Felsen sind stellenweise glatt, besonders bei Nässe. Und der Wind kann hier ganz schön Fahrt aufnehmen.

Weiter Richtung Süden – nach Ringebu

Nach so viel wilder Schönheit heißt es wieder: einsteigen, durchatmen, weiterziehen. Die Straße schlängelt sich durch Wälder, vorbei an Seen, über sanfte Hügel. Es ist eine dieser Fahrten, bei denen man nichts sagen muss – weil die Landschaft alles erzählt.

Unser nächstes Ziel heißt Ringebu. Ein kleiner Ort mit großer Geschichte – und einer der letzten Stabkirchen des Landes. Aber das ist eine neue Geschichte.

Für alle, die selbst losziehen wollen: Unsere Tipps für unterwegs

  • Beste Reisezeit
    Die Hochstraße Fv51 durch den Jotunheimen ist nur zwischen Juni und September geöffnet – im Winter ist sie gesperrt. Im Spätsommer (August/September) erlebt man die Hochebene in besonders stimmungsvollen Farben.
  • Freistehen
    Auf kleinen Seitenwegen der Rv51 ist freies Stehen meist möglich – mit Rücksicht auf Natur und andere Reisende. Unser Tipp: Früh genug ankommen, um noch ein ruhiges Plätzchen mit Aussicht zu finden.
  • Kälte auf der Hochebene
    Auch im Sommer kann es auf über 1.100 Metern nachts empfindlich kalt werden – gute Isolierung und warme Kleidung sind Gold wert. Und: Kopfschmerzen durch die Höhe sind keine Seltenheit. Viel trinken hilft!
  • Kamera griffbereit halten
    Die Rentiere kommen, wann sie wollen – und meist unerwartet. Halte die Kamera also nicht zu tief im Rucksack versteckt. Es lohnt sich!
  • Wandern rund um den Bitihorn
    Wer Zeit hat: Eine kleine Wanderung in der Umgebung des Bitihorn bietet fantastische Aussichten – und deutlich weniger Trubel als in den bekannteren Regionen des Parks.
  • Ridderspranget: gutes Schuhwerk!
    Die Felsen rund um die Schlucht können glatt und feucht sein – Wanderschuhe mit gutem Profil sind hier Pflicht. Und wer mit Kindern unterwegs ist, sollte sie an der Schlucht gut im Blick behalten.
Fazit

Jotunheimen – wo Norwegen so richtig aufdreht

Der Jotunheimen Nationalpark ist ein Ort zum Staunen, zum Durchatmen, zum Seeleweitwerdenlassen. Majestätische Berge, kristallklare Seen, wilde Schluchten – und dann diese kleinen Momente, in denen ein Rentier die Straße kreuzt und man spürt: Hier ist die Natur noch ganz bei sich.

Ein Paradies für Wanderer, Fotograf:innen, Träumer und alle, die das echte Norwegen suchen. Wer das Land wirklich fühlen will – ohne Hektik, ohne Schnickschnack – der sollte hierherkommen.

Am besten mit viel Zeit, offenen Augen und einem Herzen, das sich gerne berühren lässt.

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