Letzte Aktualisierung am 12 August 2025
Guten Morgen aus dem graunassen Odda!
Die Regentropfen haben uns die ganze Nacht über aufs Dach getrommelt – wie ein norwegisches Wiegenlied in Endlosschleife. Wettertechnisch bleibt Norwegen sich treu: zuverlässig nass. Aber wir nehmen’s mit nordischer Gelassenheit – schließlich wussten wir ja, dass es zu dieser Jahreszeit nicht nur Sonnenschein geben würde.
Um 7:30 Uhr haben wir uns wie gewohnt aus dem warmen Bett geschält. Duschen, Frühstück – der erste Kaffee dampfte gegen das beschlagene Fenster, während draußen die Welt noch in dichten Nebelschwaden schlummerte. Ein ganz normaler Van-Morgen in Norwegen.
Dann hieß es: Alles verstauen, Sitzgurte einklicken, Navi auf „Abenteuer“ stellen. Unser nächstes Ziel: der berühmte Låtefossen. Und wenn alles so läuft wie geplant, wollen wir am späten Nachmittag auf dem Campingplatz Mosvangen in Stavanger einrollen – schön gelegen, nur zwei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
Klingt nach einem vollen Tag? War’s auch. Und nach einem ziemlich schönen dazu.
Nach nicht einmal zwei Kilometer Fahrt haben wir den ersten Höhepunkt, den Ausblick auf den Buarbreen Gletscher erlebt und fotografiert.
Der Buarbreen-Gletscher ist ein Gletscher im Westen Norwegens, der sich im Jostedalsbreen-Nationalpark befindet. Er ist einer der unzähligen Gletscher in Norwegen und ein wahres Naturwunder. Der Buarbreen erstreckt sich über eine Länge von etwa 3,5 Kilometern und bedeckt eine Fläche von etwa 4,8 Quadratkilometern.
In den letzten Jahren hat der Gletscher deutlich an Volumen und Masse verloren, was auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist. Immer mehr Schmelzwasser und Gesteinspartikel sammeln sich am Fuß des Gletschers an, was Auswirkungen auf die Flora und Fauna des Gebiets hat.
Dennoch bleibt der Buarbreen-Gletscher ein faszinierendes Naturschauspiel und zieht jedes Jahr unzählige Touristen an, die sich von der beeindruckenden Schönheit des Gletschers verzaubern lassen möchten. Besonders beliebt sind Wanderungen auf dem Gletscher, Klettern und Skifahren. Da der Gletscher jedoch durch das Abschmelzen instabiler wird, sind solche Aktivitäten nur noch begrenzt möglich.
Es ist wichtig, dass wir uns alle bewusst machen, dass der Klimawandel die fortschreitende Schmelze der Gletscher beschleunigt. Wir sollten uns daher bemühen, etwas für den Schutz dieser unglaublichen Naturphänomene zu tun, um sie für kommende Generationen zu erhalten.
Weiter ging’s – immer tiefer hinein in die norwegische Postkartenlandschaft. Und ja, der Regen war unser treuer Begleiter. Mal nieselte es leise, mal prasselte es kräftig aufs Dach, als wollte uns der Himmel zeigen, wie viele Töne ein Regentag draufhat.
Doch zwischen den Wischerbewegungen am Frontfenster eröffneten sich immer wieder kleine Wunder: links, rechts, geradeaus – überall Wasserfälle! Sie stürzten sich in wilden Kaskaden die Felswände hinab, angeschoben von den tagelangen Regenfällen. Manche dünn wie silberne Fäden, andere tosend und breit, fast wie kleine Brüder des Låtefossen.
Wir kamen aus dem Staunen kaum heraus. Jeder neue Wasserfall war wie ein kurzer Tusch der Natur – laut, wild, wunderschön. Und wenn gerade keiner zu sehen war, gab es immerhin Nebel, moosgrüne Hänge und diese beruhigende Weite, die nur Norwegen so kann.
Die Straße schlängelte sich weiter – und plötzlich war er da. Kein leiser Auftakt, keine Vorwarnung. Nur das donnernde Rauschen eines Wasserfalls, der seinen eigenen Takt vorgibt: der Låtefossen.
Zwei gewaltige Wasserläufe stürzen sich hier mit voller Kraft nebeneinander die steilen Felsen hinab – rund 165 Meter tief, direkt neben der Straße. Als würde Norwegen sagen: „So, jetzt zeig ich euch mal, was ich wirklich draufhabe.“
Die Gischt wehte über den Asphalt, die Luft vibrierte, und wir standen einfach da – staunend, sprachlos. Die alte Steinbogenbrücke, über die man genau am Abfluss des Wasserfalls entlangfährt, macht das Spektakel perfekt. Ein Ort, an dem du automatisch langsamer wirst – nicht nur mit dem Van, sondern auch im Kopf.
Der Låtefossen ist zurecht eines der beliebtesten Fotomotive in Westnorwegen. Besonders in der Schneeschmelze im Frühjahr zeigt er sich in seiner vollen Pracht – wenn der Schmelzwasserstrom ihn zu einem tosenden Naturgiganten macht. Aber auch jetzt, bei Dauerregen, war er ein Erlebnis für alle Sinne.
Rund um den Wasserfall gibt’s außerdem jede Menge zu entdecken: Wanderwege, kleine Pfade und Kletterrouten, die sich durch die umliegenden Berghänge ziehen. Wer also nicht nur schauen, sondern richtig eintauchen will – in Moosduft, Nebelschwaden und wilde Aussicht – ist hier genau richtig.
Kaum hatten wir den Låtefossen hinter uns gelassen, wartete schon der nächste Wasserfall direkt am Straßenrand: der Espelandfossen. Und der meinte es richtig ernst.
Schon aus der Ferne sahen wir, wie die Gischt wie Nebelschwaden über die Straße wehte. Je näher wir kamen, desto mehr verschwamm das Bild – als würde uns die Natur in ihre ganz eigene Waschanlage schicken, ganz ohne Vorwarnung.
Ein kurzer Stopp für ein schnelles Foto – mehr war nicht drin. Die Kamera konnte nur noch durch die Windschutzscheibe hindurch arbeiten. Denn sobald man das Fenster auch nur einen Spalt öffnete, klatschte einem die volle Ladung Wasser entgegen. Und natürlich – es kam, wie es kommen musste.
„Mach zu! Mach zu!“, rief ich – und zack, das Fenster war wieder zu. Gerade noch rechtzeitig. Ein halbes Herzklopfen später, und das Fahrerhaus war (fast) trocken geblieben. Die versuchten Fotos? Leider eher Gischt-Kunst als Landschaftsaufnahme.
So blieb uns am Ende nur ein einziges Bild – mit viel Gischt, wenig Sicht, aber einer Ahnung davon, was da gleich mit voller Wucht auf uns zukam.
Der Espelandfossen ist vielleicht nicht so bekannt wie sein großer Bruder Låtefossen, aber in Sachen Dramatik spielt er definitiv in derselben Liga. Und wenn du, wie wir, zur regenreichen Zeit durch Westnorwegen cruist – dann bekommst du hier nicht nur ein Naturschauspiel, sondern gleich ein ganzes Erlebnispaket mitgeliefert.
Unsere Tour ging weiter – kurvig, nass, wunderschön. Die Straße schlängelte sich durch eine Landschaft, die jeden Kilometer neue Postkartenmotive aus dem Ärmel schüttelte. Mal fiel der Blick auf moosbewachsene Hänge, dann wieder auf donnernde Wasserfälle, die sich wie weiße Fäden die Felsen hinunterstürzten. Manche tosend, manche zart – aber alle auf ihre Weise beeindruckend.
Es ist einfach gigantisch, was hier für Wassermassen in die Tiefe rauschen. Als würde die Natur hier täglich zeigen wollen, wie viel Kraft und Bewegung in ihr steckt. Kein Vergleich zu den zivilisierten, gezähmten Flussläufen zuhause – hier ist alles wild, roh und echt.
Immer wieder hielten wir an. Nicht lang, aber oft. Ein kurzes Staunen, ein schnelles Foto, ein tiefer Atemzug. Es war dieser ständige Wechsel aus Fahren und Verweilen, der den Tag so besonders machte.
Dann ging’s weiter – bergauf, bergab, durch kleine Tunnel, an spiegelglatten Seen vorbei, durch weite Täler, in denen sich das Licht mit den Nebelschwaden verhedderte. Manchmal fühlte es sich fast an wie durch ein überdimensionales Gemälde zu fahren.
Und irgendwann, zwischen einem leichten Nieselregen und einem kurzen Sonnenstrahl, tauchte das nächste Ziel auf: Eventyrskogen, der norwegische Märchenwald.
Und dann stand da plötzlich dieses Schild am Wegesrand: Eventyrskogen – der Märchenwald.
Klang im ersten Moment ein bisschen wie Kindergeburtstag mit Streichelzoo – aber irgendetwas an diesem Ort ließ uns anhalten. Vielleicht war’s die Neugier. Oder einfach das Gefühl: Da steckt mehr dahinter.
Also raus aus dem Van, rein ins kleine Eingangshäuschen. Ein freundlicher Norweger mit wettergegerbtem Gesicht drückte uns eine Karte in die Hand und sagte mit einem Zwinkern: „Hier findet ihr Trolle, Hexen und andere Wesen, die man nicht überall trifft.“
Na dann!
Kaum durch das Holztor getreten, veränderte sich etwas. Der Wald wurde dichter, weicher. Der Boden unter den Füßen federte leicht, der Duft nach feuchtem Moos und Tannenharz legte sich wie ein Märchenfilter über die Wirklichkeit. Hinter jeder Wegbiegung wartete eine neue Szene: aus Holz geschnitzte Trolle mit wirren Bärten, steinerne Märchenfiguren, die halb verborgen zwischen Farnen und Felsen auftauchten – so dezent in die Natur integriert, dass man manchmal zweimal hinschauen musste.
Und genau das war das Schöne: liebevoll gestaltete Figuren, ein durchdachter Rundweg, Grillplätze und Picknickecken – und vor allem: Ruhe.
Wir waren plötzlich wieder Kinder. Nicht weil alles bunt und laut war, sondern weil dieser Wald unsere Fantasie kitzelte. Weil er Raum ließ für Geschichten, die man längst vergessen hatte.
Eventyrskogen ist ein Ort für kleine Pausen – mitten im großen Norwegenabenteuer. Ein bisschen Magie zwischen all den Naturgewalten davor. Und genau das hat diesen Stopp für uns so besonders gemacht.
Wir schlenderten gut eine Stunde durch den Märchenwald, ließen uns treiben, nahmen Abzweigungen nach Gefühl und blieben stehen, wo es sich richtig anfühlte. Die Märchenfiguren haben wir bewusst nicht fotografiert – manche Orte darf man einfach nur erleben, nicht festhalten.
Was wir dafür mitnahmen: Stille. Den Duft von feuchtem Moos. Und das schöne Gefühl, für einen Moment einfach nur im Jetzt gewesen zu sein.
Zurück am Van packten wir unsere Brotzeit aus – frisches Brot, etwas Käse, ein paar Gurkenscheiben und ein Apfel. Einfach, aber perfekt. Der Wald hatte uns geerdet – jetzt war der Magen dran.
Dann rollten wir weiter. Die letzten 38 Kilometer bis Stavanger lagen vor uns. Die Straße wurde breiter, das Tal weiter, der Himmel heller – als würde auch das Wetter langsam in den Feierabend gleiten.
Wie’s in Stavanger weitergeht?
Das erzählen wir dir im nächsten Beitrag.
Nur so viel vorab: Es war sonnig. Überraschend sonnig.
Norwegen verblüfft. Immer wieder.
Nach jeder Kurve, hinter jedem Tunnel, auf jedem neuen Kilometer zeigt sich das Land in einem anderen Licht – wild, ruhig, dramatisch oder märchenhaft.
Dieser Tag hatte alles: tosende Wasserfälle, die uns den Atem geraubt haben – allen voran der Låtefossen, der mit gewaltiger Kraft und donnerndem Getöse seine Wassermassen ins Tal stürzen lässt. Aber auch die vielen kleinen Fälle am Wegesrand, die moosbewachsenen Hänge, die spiegelnden Seen und der märchenhafte Zwischenstopp im Eventyrskogen haben uns tief beeindruckt.
Es sind diese Kontraste, die Norwegen so besonders machen: Gewaltige Naturgewalten treffen auf stille Waldpfade. Donner auf Duft. Regen auf Ruhe.
Und genau deshalb bleibt einem so ein Tag lange im Kopf – und noch länger im Herzen.
Wir sind gespannt, was als Nächstes kommt. Aber dieser Abschnitt? Der war ganz sicher ein Highlight.
Beste Zeit für den Låtefossen: Im Frühjahr während der Schneeschmelze – dann zeigt der Wasserfall seine volle Wucht. Aber auch nach starken Regenfällen (wie bei uns) ist das Spektakel beeindruckend – inklusive Gratisdusche. 😅
Fahrtroute: Die Fv13 ist landschaftlich grandios, aber auch kurvig – also lieber entspannt rollen lassen und immer wieder anhalten.
Foto-Stopp: Halte die Kamera bereit – aber achte auf Gischt! Beim Espelandfossen haben wir’s selbst erlebt: Manchmal reicht nur ein Spalt im Fenster für eine Komplettbedampfung.
Eventyrskogen: Ideal für eine Pause mit Picknick und Waldspaziergang. Besonders schön bei leichtem Regen – dann wirkt alles noch ein bisschen mystischer.
Und wie immer: Lass dich treiben. Norwegen liefert die Motive von ganz allein.